Wie wir Preise mit Herz und Haltung gestalten

Wenn „lauter, schneller, teurer“ zum Maßstab für Erfolg wird, stellt sich mir eine stille, aber tiefgreifende Frage: Wie können wir als Unternehmer:innen Preise gestalten, die nicht nur dem Markt, sondern auch dem Menschsein gerecht werden?

Gerade in Kontexten wie Coaching, Heilarbeit oder spiritueller Begleitung begegnen sich nicht nur Angebot und Nachfrage, sondern auch Ethik, Empathie und gesellschaftliche Verantwortung. Hier ist Preisgestaltung weit mehr als betriebswirtschaftliche Kalkulation – sie ist Ausdruck einer inneren Haltung.

Geld als Ausdruck von Wert, nicht von Gier

Geld ist kein Widerspruch zu ethischem oder spirituellem Handeln. Es ist ein Ausgleichsmittel für Zeit, Energie und Hingabe. Wer für seine Arbeit einen fairen Preis verlangt, ehrt nicht nur sich selbst, sondern auch die Ernsthaftigkeit des eigenen Wirkens.

Doch wann ist ein Preis stimmig – und wann wird er zur Eintrittsbarriere? Was bedeutet es, im Spannungsfeld zwischen unternehmerischer Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung ethisch zu handeln? Und welche Folgen hat es, wenn wir Preise so gestalten, dass sie viele Menschen ausschließen – vor allem dort, wo es um Unterstützung, Entwicklung oder sogar Grundbedürfnisse geht?

Auch eine weitere Frage drängt sich auf: Stimmt der Satz „Weil du es dir wert bist“ wirklich? Er klingt zunächst stärkend – doch er birgt eine stille Gefahr: Wenn der eigene Wert an die Fähigkeit gekoppelt wird, etwas bezahlen zu können, wird finanzielle Kaufkraft zur Messlatte für Selbstwert. Was bedeutet das für all jene, die sich bestimmte Preise nicht leisten können?

Bewusste Preisgestaltung: Vier Fragen, die helfen

Ein Preis ist kein Zufall. Er ist ein Spiegel unserer Haltung. Wer bewusst kalkuliert, stellt sich Fragen wie:

  1. Was ist mein Angebot wirklich wert? (Bezogen auf Tiefe, Wirkung, Verantwortung)
  2. Was brauche ich, um nachhaltig arbeiten zu können? (Zeit, Lebensunterhalt, Raum für Regeneration)
  3. Wer ist mein Gegenüber – und was ist für sie oder ihn erreichbar?
  4. Wie bleibe ich inklusiv, ohne mich selbst zu unterbieten?

Diese Fragen führen nicht immer zur „perfekten“ Zahl. Aber sie führen zu Preisen, die sich stimmig anfühlen – für dich und die Menschen, denen du dienst.

Was ist mit den Menschen, die sich bestimmte Preise nicht leisten können?

Wenn wir über Preise mit Haltung sprechen, dürfen wir eine Gruppe nicht aus dem Blick verlieren: jene, für die selbst „faire“ Preise zu hoch sind. Menschen in prekären Lebenslagen. Alleinerziehende, Studierende, Pflegekräfte, Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus oder in Übergangsphasen. Menschen, die gerade besonders auf Unterstützung angewiesen wären – und doch am Rand stehen, weil ihnen der Zugang verwehrt bleibt.

Was bedeutet das für uns als Unternehmer:innen?

Zunächst: Es ist nicht unsere Aufgabe, alles kostenlos anzubieten. Aber es ist unsere Verantwortung, nicht achtlos zu sein. Preisgestaltung ist auch eine Frage der Beziehung – nicht nur zwischen Angebot und Nachfrage, sondern zwischen Menschen mit unterschiedlichen Lebensrealitäten.

Denn: Wer sagt, „Wenn du es dir nicht leisten kannst, bist du noch nicht im richtigen Money-Mindset“, verkennt, dass nicht jeder Mangel im Denken wurzelt. Oft wurzelt er im System. Im sozialen Gefälle. In Strukturen, die nicht für alle die gleichen Startbedingungen schaffen.

Deshalb braucht es Preismodelle, die differenzieren, ohne zu spalten. Vielleicht bedeutet das:

  • Solidartarife
  • Sliding-Scale-Modelle
  • Freiplätze
  • Kooperationen mit sozialen Einrichtungen
  • Oder einfach: den offenen Dialog darüber, was möglich ist.

Ein solcher Umgang ist kein Verlustgeschäft. Im Gegenteil: Er ist Ausdruck von Haltung, Menschlichkeit und einem Verständnis von Wirtschaft, das auf Verbindung statt auf Verknappung baut.

Denn am Ende ist es ein zutiefst menschlicher Wunsch, gesehen und ernst genommen zu werden – unabhängig vom Kontostand.

Zwischen Zielgruppe und Zugehörigkeit: Ethisch handeln in einer marktwirtschaftlichen Welt

Als Unternehmer:in dürfen wir klar sein: Wir brauchen Kund:innen, die unsere Arbeit wertschätzen – auch finanziell. Selbstfürsorge heißt, Grenzen zu setzen, stabile Einnahmen zu sichern und nicht alles für alle anbieten zu müssen. Es ist legitim, eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen – auch eine zahlungskräftige.

Doch wo endet gesunde Klarheit – und wo beginnt ein Ausschluss, der stiller Ausdruck von Ungleichheit ist?

Wenn der Zugang zu Entwicklung, Bildung oder Begleitung zunehmend zur Geldfrage wird, trägt jede unternehmerische Entscheidung eine ethische Dimension. Wenn wir sagen: „Ich will nur mit bestimmten Menschen arbeiten“, ist das nicht per se verwerflich. Doch es lohnt sich zu fragen: Warum genau? Und: Was bedeutet das für jene, die draußen bleiben?

Marktwirtschaft ist ein System. Sie funktioniert, weil wir ihr Spiel mitspielen. Aber wir können die Regeln, nach denen wir mitspielen, bewusst gestalten. Nicht gegen den Markt – aber auch nicht blind nach seinem Takt.

Ein Unternehmen darf erfolgreich sein. Aber es darf auch mitdenken, mitfühlen, mitverantworten.
Denn letztlich arbeiten wir nicht nur mit Menschen – wir gestalten auch mit, was für Menschen möglich ist.

Einladung zum Innehalten

Preise sind mehr als Zahlen. Sie sind Haltung. Beziehung. Entscheidung.
Und oft auch ein stiller Spiegel dessen, woran wir glauben – über uns selbst, über andere und über das, was möglich sein darf.

Vielleicht ist die entscheidende Frage nicht nur: Was ist mein Angebot wert?
Sondern auch: Welche Welt entsteht, wenn wir so wirtschaften, wie wir es tun?

Diese Welt gestalten wir mit – leise, aber wirksam.
Nicht durch perfekte Antworten, sondern durch mutige Fragen.
Nicht durch Entweder-oder, sondern durch beides: Herz und Klarheit.

Wenn dieser Text in dir etwas berührt oder zum Nachdenken angeregt hat, freue ich mich, mit dir in den Dialog zu gehen.

Denn wie wir Preise gestalten, sagt viel darüber, wie wir Beziehung gestalten – zu uns selbst, zu anderen und zu der Zukunft, in der wir leben wollen.

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